Nr. 21
Vermerk der Dienststelle des
Reichskommissars für die
Festigung deutschen Volkstums über
die Ansiedlung von
Deutschen in den besetzten slowenischen
Gebieten(1)
Vermerk
Hauptabteilung I Berlin,
den 17. 4. 41.
Aktenz.:
I/0/71 a/17. 4. 41/Dr. St/Ha
Betrifft: Umsiedlung Untersteiermark und Krain.
Anlagen: 1
Vorschlag über Ansetzung von Umsiedlern
in den neuen Südostgebieten.
Aus Untersteiermark und
Krain sollen zunächst 130 000 Slowenen evakuiert werden.(2) Zur
Besetzung des frei werdenden Raumes mit deutschen Menschen kommen folgende
Volksgruppen in Frage:
Vorschlag
Es
werden angesiedelt (geschätzte O-Fälle):
etwa 28 000 Umsiedler aus Südbuchenland
etwa 2 000
umgesiedelte Winzer aus Bessarabien und Dobrudscha
etwa 6 000
noch Umzusiedelnde aus Dalmatien
etwa 12 000 noch Umzusiedelnde aus Bosnien
etwa 10 000 noch Umzusiedelnde aus Westslawonien
etwa 58 000.
Bei der Besetzung des frei
werdenden Raumes ist ferner zu berücksichtigen,
dass für Kärnten 5000
Kanaltaler bestimmt sind, von denen erst rund 3000 untergebracht sind. Ferner
finden sich in den Lagern der Steiermark 14 000 Südbuchenländer, von denen nur
8400 zum Ansatz als O-Fälle für die Untersteiermark berechnet sind, so dass
5600 A-Fälle in der Steiermark(3) verbleiben können.
Nach bisherigen Berichten
nimmt der Gau diese A-Fälle gern auf. Die durch die A-Fälle frei werdenden
Einheimischen können weiterhin zur Auffüllung der Südsteiermark dienen.
Den Gauen Untersteiermark
und Kärnten stehen demnach an Bevölkerungszuwachs für die alten und neuen
Gebiete zur Verfügung:
58 000 Umsiedler O-Fälle
5 000 Kanaltaler
5 600 Südbuchenländer A-Fälle
68 000.
Dazu können, falls
notwendig, noch in den alten Gebieten die A-Fälle aus Dalmatien, Bosnien und
Westslawonien = etwa 16 000 eingesetzt werden.
Diese 60—80 000 Köpfe(4)
Bevölkerungszuwachs dürften ausreichen, um die
Plätze der 130 000
Evakuierten zu besetzen, da auf dem Lande Kleinbesitz vorherrscht, der
zusammengelegt werden muss und auch im übrigen die neuen Südostgebiete im
Verhältnis zu den angrenzenden Kroatien eine sehr dichte Bevölkerung aufweisen.
Bei diesem Vorschlag wird
davon ausgegangen, dass die Südtiroler grundsätzlich nicht in dieses
Gebiet kommen. Aus volkspolitischen Erwägungen erscheint auch der Einsatz der
Südtiroler im Westen als notwendiger. Bei der Nähe des neuen Siedlungsgebietes
im Südosten zur italienischen Grenze dürfte Italien auch Einwendungen gegen die
Ansiedlung der Südtiroler in diesem Gebiet erheben. Da das neue Gebiet rund 900
000 Einwohner hat, von denen etwa 100 000 als Deutsche anzusprechen sind,
müssten bei der engen Besiedlung dieses Gebietes für die Ansetzung der Südtiroler
fast sämtliche Slowenen und Windische evakuiert werden, was als nicht
wünschenswert erscheint.
Begründung.
Untersteiermark und Krain
sind landschaftlich bestimmt durch die Höhenzüge der Karawanken und des
Bachern sowie die breiten Flusstäler von Drau und Save. Es herrscht hügeliges
bis bergiges Gelände vor, in den Höhen ist reichlicher Waldbestand, Ackerbau
wird in den breiten Tälern und an den Hängen
mit meist rotbraunem
Waldboden betrieben. Obst- und Weinbau und Viehwirtschaft sind stark vertreten.
Entsprechend diesem
Landschaftsbild kommen nur Umsiedler aus bergigem bis hügeligem
Gelände in Frage. Nach Bodenbeschaffenheit und landwirtschaftlicher
Kultur ähnelt dieses Gebiet sehr stark Südbuchenland und weitgehend auch den
angrenzenden bisherigen Teilen Bosniens und Slawoniens. Von einer Ansiedlung
von Volksdeutschen aus den grossen Ebenen, wie Bessarabien, Batschka, Baranya,
Banat, Ostslawonien und Litauen, ist abzuraten, da die Umstellung auf
Gebirgswirtschaft sehr schwierig ist und der steinreiche rotbraune Waldboden
eine grundsätzlich andere Bearbeitung erfordert als die Schwarzerd-, Lehm- und
Lössböden des Ostens.
Von einer Ansiedlung von
Volksdeutschen aus diesen Gebieten ist selbst dann abzuraten, wenn sie sich
bereits als Flüchtlinge in den Gauen Steiermark oder Kärnten befinden. Zu den
erwähnten Bedenken tritt bei den Flüchtlingen noch die Gefahr hinzu, dass durch
ihren Abzug eine Schwächung der zurückbleibenden Volksgruppen entsteht. Soweit
in Einzelfällen Flüchtlinge aufgenommen werden können, ist darauf zu achten,
dass den Volksgruppen, die noch nicht geschlossen umgesiedelt werden können,
nicht durch diese Massnahmen die politische, geistige oder wirtschaftliche
Führerschicht verloren geht.
Eine genaue Aufstellung
über die neue Verteilung der Buchenländer ist in der Anlage beigefügt.(5)
___________________________
(1) BA Koblenz, StHA des RKFDV, R 49/967, (4 S.). Der
Vermerk wurde vom Referenten in der Hauptabteilung 1 (Menscheneinsatz) der
Dienststelle des RKFDV SS-Hauptsturmführer Dr. Günther Stier verfasst.
(2) Die Zahl der zur Aussiedlung vorgesehenen Slowenen
wurde bald erhöht, und zwar auf 220.000 bis 260.000. Siehe Dok. Nr. 27.
(3) Die deutschen Umsiedler wurden bei der sog.
Durchschleusung durch die Kommissionen der Einwandererzentralstelle für O
(osteinsatzfähig) — oder A (Altreich) — Fälle erklärt. Die zu O-Fällen
erklärten Umsiedler sollten in den besetzten Gebieten Osteuropas und auch in
Slowenien, die sog.
A-Fälle in Deutschland und
Osterreich angesiedelt werden.
(4) Dies ist die höchste Zahl der zur Ansiedlung in den
besetzten slowenischen Gebieten und in Kärnten vorgesehenen deutschen
Umsiedler. Schon nach einer Woche wurde ein Teil der Untersteiermark längs der
Flüsse Sava und Sotla zum Ansiedlungsgebiet für die Gottschee-Deutschen
bestimmt. (Gottscheer Zeitung vom 1. 5. und 28. 8. 1941; Anordnung Nr. 38/1 des
Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums vom 14. 7. 1941 auf Mf.
aus NAW, T-81, R-267; siehe auch Dok. Nr. 169, 272 und 301). Über die Zahl der
angesiedelten Deutschen in der Untersteiermark und die Probleme der deutschen
Kolonisation in Gorenjsko (Oberkrain) siehe Dok. Nr. 169, 272, 298, 301, 304,
307 und 308.
(5) Wird hier nicht wiedergegeben