Nr. 9
Denkschrift des Südostdeutschen
Institutes in Graz über die
gebietliche Gliederung und
volkspolitische Gestaltung
der Untersteiermark(1)
Die kommende Neugestaltung
der Dinge auch im Südostraum erfordert schon jetzt eine schriftliche Fixierung
in den verschiedensten Belangen, damit im Ernstfall sämtliche infragekommenden
Stellen einheitlich vorgehen:
I. Gebietliche
Gliederung:
Zu erstreben ist die
Herstellung der alten Grenzen des Herzogtums Steiermark. Für diesen Fall
folgende Kreiseinteilung: 1. Vergrösserung des Kreises Radkersburg um die
ehemaligen Teile des politischen Bezirkes Radkersburg, die an Südslawien
gefallen sind (Abstallerfeld und Umgebung), die Gerichtsbezirke Oberradkersburg
und Luttenberg und die westliche Hälfte des Übermurgebietes (Teile der
politischen Bezirke Olsnitz und Unterlembach).
2. Stadtkreis Marburg,
umfasst den heutigen Stadtbereich unter Einbeziehung der Umgebungsgemeinden
Brunndorf, Rotwein, Poberseh, Thesen, Gams, Rosswein, Kartschowin, Leitersberg,
Potschgau und Maleckendorf, Einwohnerzahl heute rund 50.000 Menschen. 3.
Landskreis Marburg mit dem Sitz in Marburg, umfasst die heutigen politischen
Bezirke Marburg, linkes Drauufer (mit Ausnahme der an Radkersburg rückfallenden
Gemeinden und ohne den zu Pettau kommenden Teil des Gerichtsbezirkes St.
Leonhard), Marburg rechtes Drauufer, (mit Ausnahme einiger Gemeinden, die dem
politischen Bezirk Pettau angeschlossen werden), Gonobitz, weiter vom
politischen Bezirk Unterdrauburg den Gerichtsbezirk Mahrenberg, dem die Soboth
wieder angeschlossen wird und vom politischen Bezirk Windisch-Graz den
gleichnamigen Gerichtsbezirk. 4. Landkreis Pettau mit dem Sitz in Pettau,
umfasst den heutigen politischen Bezirk Pettau zusätzlich von Teilen des
Gerichtsbezirkes St. Leonhard und des Gerichtsbezirkes Windisch-Feistritz. 5.
Landkreis Cilli mit dem Sitz in Cilli, umfasst die heutigen politischen
Bezirke St. Marein und Tüffer, wie den Gerichtsbezirk Schönstein des heutigen
Bezirkes Windisch-Graz. 6. Der Savekreis mit dem Sitz in Lichtenwald, umfasst
den Süden der politischen Bezirke Tüffer und St. Marein, wie den politischen
Bezirk Rann. (Einwohnerzahl hinzufügen.)
Bezüglich der Abgrenzung
der Kreise Marburg-Land und Pettau einerseits und Marburg-Land, Cilli und einem
zu bildenden Kreis Windisch-Graz anderseits sind Gegenvorschläge aufgetaucht.
Dagegen ist folgendes zu sagen:
Gegen den Vorschlag, den
Gerichtsbezirk St. Leonhard zur Gänze dem Landkreis Marburg-Land
anzuschliessen, spricht a) die allzugrosse Einwohnerzahl des Landkreises
Marburg, die durch eine solche Angliederung entstünde und die Notwendigkeit,
die Einwohnerzahlen zwischen den Landkreisen Pettau und Marburg durch die
Teilung des Gerichtsbezirkes St. Leonhard auszugleichen, b) die Tatsache, dass
sich das Pösnitztal gegen das Pettauer Feld hin öffnet und auf diese Weise
durch Erneuerung der bestehenden Strassen in beste Verbindung mit dem
Mittelpunkt des Landkreises Pettau gebracht werden kann. Die Belieferung
Marburgs mit landwirtschaftlichen Produkten aus dem Gebiet um St. Leonhard
erfordert natürlich keineswegs den Anschluss des ganzen Gerichtsbezirkes St.
Leonhard an den Kreis Marburg, da auch die übrige Untersteiermark nach Marburg
bzw. Graz abführt.
Zu dem Plan der Errichtung
eines eigenen Kreises im westlichen Draugebiet mit dem Sitz in Unterdrauburg,
ist zu sagen, dass das Miesstal altkärntnerischer Boden ist und solange es
einen Reichsgau Kärnten gibt, diesem zufallen müsste.
Gegen den Vorschlag, einen
eigenen Kreis Windisch-Graz mit den Gerichtsbezirken Mahrenberg, Windisch-Graz
und Schönstein zu errichten, sprechen folgende Argumente: a) für die Bildung
des Landkreises Marburg ist die Einheit der Landschaft um das Bacherngebirge
massgebend. Diese Zusammenfassung ist auch national-politisch von grösster
Bedeutung, da die sogenannten Pochorianzen einen besonderen Teil der untersteirischen
Windischen bilden und unter möglichst einheitliche Führung gestellt werden
müssen, sie sind für das völlige Aufgehen im Deutschtum bedeutend
aufgeschlossener als die Bevölkerung in anderen Gebieten. b) Auch der Sanngau
mit dem Mittelpunkt Cilli ist eine landschaftliche Einheit. Die
nationalpolitische Aufgabe dieses Gebietes ist vor allem darin zu sehen, durch
eine besonders dichte
Durchsiedlung mit deutschen
Bauern einen völkischen Schutzwall zwischen die Windischen des Draugebietes und
die Slowenen in Krain zu legen. Auch bei Durchführung dieser Aufgabe ist eine
einheitliche Gestaltung im gesamten Sanngau, also unter Einschluss des
Gerichtsbezirkes Schönstein notwendig. Gegenüber diesen Argumenten erscheint
eine Notwendigkeit der Angliederung des Gerichtsbezirkes Schönstein an
Windisch-Graz aus nationalpolitischen Erwägungen etwa derart, dass es
notwendig sei, den stark slowenisch durchsetzten Bezirk Schönstein mit den im
Norden liegenden, dem Deutschtum aufgeschlossenen Bezirken zu verbinden,
hinfällig. Auch andere Momente, die in historischer Zeit für die Verbindung
Windisch-Graz — Schönstein sprachen, z.B. die Tatsache, dass Schönstein auch
mit Windisch-Graz verbunden war, als es zwischen diesen beiden Orten keine
Bahnlinie wohl aber bereits eine Bahnverbindung zwischen Schönstein und Cilli
gab, erledigen sich durch den Hinweis, dass damals die nationalpolitischen
Momente unter den Voraussetzungen, die die Habsburger Monarchie bot, gesehen
werden mussten, während nunmehr völlig neue Masstäbe anzulegen und auch die
gebietlichen Einteilungen in erster Linie nach ihnen zu treffen sind.
Auch bezüglich der
Südostecke wurden verschiedene Vorschläge gemacht, die von den obenstehenden
abweichen.
Zunächst der der völligen
Einbeziehung des politischen Bezirkes Tüffer in den Bezirk Cilli und die
Wiederherstellung des politischen Bezirkes Rann a.d. Save in seiner früheren
Gestalt, einschliesslich der Gerichtsbezirke Lichtenwald, Drachenburg und Rann.
Ein solcher politischer Bezirk hätte den Nachteil eines ausserordentlich
geringen Zusammenhanges mit dem angrenzenden Reichsgebiet. Er würde eine
vorgeschobene Spitze bilden, die in der Gestalt den Anreiz zu gebietlichen
Abtrennungsbestrebungen benachbarter Staaten bilden würde. Auch eine Verbindung
der Bezirke Rann, Drachenburg mit St. Marein und Rohitsch wäre abwegig, da es
unmöglich erscheint, Gebiete um St. Marein von Rann aus verwalten zu wollen.
II. Die volkspolitische
Gestaltung.
Es ist unbedingt zu
erstreben, dass die Aufgaben zwischen Partei und Staat so getrennt werden, dass
der staatliche Apparat für das Funktionieren des normalen Geschäftsbetriebes,
der Ernährungs- und Wirtschaftsfragen usw. sorgt, während die gesamte
volkspolitische Dynamik der Neugestaltung und Neuformung in die Hände der
Partei zu legen wäre. Es werden in den ersten Tagen nach der Änderung der
Machtverhältnisse sofort Tausende von Ausweisungen und Evakuierungen notwendig
werden, ebenso Rückführung Tausender in den letzten 20 Jahren geflüchteter
Volksdeutscher aus der Untersteiermark, die derzeit von der Landsmannschaft der
Untersteirer erfasst und über das Gaupersonalamt überprüft werden. Einen noch
grösseren Umfang wird die auch in gewissen Teilen Südslawiens, z. B. in der
Gottschee notwendig werdende Umsiedlung in Anspruch nehmen. Da wir es in der
Untersteiermark mit der Zwischenschicht der Windischen zu tun haben, liegen die
Verhältnisse ähnlich wie in Ostoberschlesien bezüglich der Slonsaken und
Wasserpolen. Die Durchführung der Rückgliederung Ostoberschlesiens kann auch
bei uns weitgehend berücksichtigt werden. Diese Zwischenschicht, zu der auch
ein grosser Teil der farblosen Volksdeutschen zu rechnen ist, kann einerseits
nicht sofort in die Partei, ihre Gliederungen und angeschlossenen Verbände aufgenommen
werden, darf aber andererseits auch nicht dadurch vor den Kopf gestossen und
für eine spätere Mitarbeit entmutigt werden, dass man sie dadurch mit den
volkspolitisch unzuverlässigen Elementen auf eine Stufe stellt, in dem sie nur
von den staatlichen Dienststellen als Reichsangehörige erfasst werden. In
Ostoberschlesien übernahm diese Funktion der Auffangorganisation der
Gauverband Schlesien des Bundes deutscher Osten, der unter der Führung des
Gaugrenzlandamtsleiters Dr. Hartlieb steht. Ein Gauverband des VDO besteht in
der Ostmark nicht, der VDA ist hierfür ungeeignet, weil er nur zuständig ist
für das Deutschtum jenseits der Grenzen. Infolgedessen müssen wir in der
Steiermark analog zu Kärnten (das während der Abwehrkämpfe und seither damit
die besten Erfahrungen machte) einen steirischen Heimatbund ins Leben
rufen. Dessen Aufgaben liegen im allgemeinen auf dem Gebiet kultureller und
wirtschaftlicher Betreuung und sich im einzelnen wie folgt darstellen:
1. Auffangorganisation und
Sieb für alle Volksdeutschen und Windischen der Untersteiermark. In die Partei
und ihre Gliederungen, angeschlossene Verbände, kann nur aufgenommen werden,
wer dem steirischen Heimatbund eine gewisse Zeit angehört und sich in ihm
bewährt hat, und dessen völkisches Bekenntnis während dieser Zeit durch die
zuständigen Stellen von Partei und Staat einwandfrei überprüft wurde.
2. Wird der steirische
Heimatbund sämtlichen Volksdeutschen des Unterlandes die Möglichkeit geben,
sich sofort in der praktischen Arbeit in ihrer Heimat einzusetzen und zu
bewähren, damit sie in Hinkunft beim Aufbau der Partei, des Staates und der
kommunalen Selbstverwaltungseinrichtungen weitestgehend berücksichtigt werden
können. Wir haben hierbei 2 Fehler, die begangen wurden, als abschwächendes
Beispiel uns vor Augen zu halten:
A. Die Art der
Eingliederung des Memelgebietes durch Ostpreussen und die Art der Eingliederung
des ehemaligen Korridors durch Danzig. In diesen beiden Gebieten wurde jede,
auch die allerkleinste und bedeutungsloseste Stelle von Alt-Ostpreussen, bezw.
Alt-Danzigern besetzt. Die Volksdeutschen wurden dabei vollkommen an die Wand
gedrückt. An Stelle volkspolitischen Erwachens und reger Mitarbeit erstand eine
volkspolitische Sterilität.
B. Das Beispiel
Sudetenland. Im Sudetenland wurde zu rasch aus der SDP in zu grossen Umfange
der Gau der NSDAP gemacht. Alle Stellen nur von den Sudetendeutschen besetzt.
Enderfolg: zu wenig Erfahrung im Aufbau auf Seite der Sudetendeutschen,
ungenütztes Verstreichenlassen der entscheidenden Zeiten gleich nach dem
Umbruch, infolge dieser mangelnden Erfahrung, Festigung des tschechischen
Elements in dieser Zeit und allenthalben weitestgehendes Versagen dieser
sudetendeutschen Führerschichte und ihr nachmaliger Ersatz durch
Altreichsdeutsche. Unserer Meinung nach ist richtig, die Besetzung der
verantwortlichen Stellen der Partei und des Staates (Kreisleiter, Landräte,
Kreisgeschäftsführer) mit bewährtesten Männern unseres Gaues, die Verständnis
und Aufgeschlossenheit für volkspolitische Fragen haben, während alles andere
sowohl auf der Ebene der Partei als auch des Staates Schritt um Schritt nur von
den betreffenden Kreisen selbst genommen werden soll. Hierbei kann gleich der
als Geschäftsführer des Kreises des steirischen Heimatbundes und vorgesehene
Volksdeutsche, der seinen Heimatkreis und dessen Bevölkerung bis ins kleinste
kennt, laufend in die Tätigkeit eines Kreisgeschäftsführers der NSDAP
eingeleitet werden.
3. Funktion der
Kameradschaftsarbeit der einzelnen altsteirischen Kreise mit den neuen Kreisen
(Jugend- und Kinderaustausch!), finanzielle Reserven und Grundstückankauf
(Neubildung deutschen Bauerntums), Fremdenverkehr, Aufnahme von
Arbeitskräften, landwirtschaftliche Hilfsarbeiter, Hausgehilfinnen. Alles in
Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen von Partei und Staat, genaue
volkspolitische Bestandsaufnahme.
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(1) PAM, SODI, Bd. 1, (6 S.).
Die Denkschrift ist ohne
Datum und Unterschrift. Vermutlich wurde sie in der zweiten Hälfte 1940 vom
Leiter des Südostdeutschen Institutes in Graz Dr. Helmut Carstanjen verfasst.
Ein Vergleich der in dieser
Denkschrift vorgeschlagenen Massnahmen mit denen während der deutschen
Okkupation der Untersteiermark nach dem 6. April 1941 zeigt, dass die
Vorschläge grösstenteils verwirklicht wurden.