Denkschrift des
Südostdeutschen Institutes in Graz
»Die Südgrenze der
Steiermark«(1)
SÜDOSTDEUTSCHES INSTITUT Graz,
den 12. Juli 1940
GRAZ
Hofgasse Nr. 5
Fernsprecher 67—44
Herrn
Professor
Dr. Franz Wehhofsich
beim Reichskommissar für
die besetzten Gebiete
der Niederlande
Plein
Lieber Kamerad!
Auf Anruf des Ministeramtes
Dr. Seyss-Inquart(2) übersende ich heute wunschgemäss unter einem
folgende Unterlagen über Untersteiermark:
1.
Eine Denkschrift über »Die Südgrenze der Steiermark«, ein Unrecht der Pariser
Vorortsverträge am Deutschen Volke«(3). Die Denkschrift
bildet den Text zu 6 Kartenskizzen. An diesen wird seit dem gestrigen Anruf bis
zur Stunde noch gezeichnet. Es war jedoch leider nicht möglich, sie bis zum
Abgang des heutigen Flugzeuges fertigzustellen. Sie werden in den Nachmittagsstunden
vollendet und dann sogleich der nächsten Post übergeben. Denkschrift und
Kartenskizzen bilden ein einheitliches Ganzes. Ich schicke die Denkschrift mit
den weiteren angeführten Unterlagen nur voraus, weil dies vom Ministeramt
gestern ausdrücklich so gewünscht wurde.
2.
Ein kurzer Bericht über das Verhalten der Slowenen vom Beginn der Aktionen in
Norwegen bis zum Zusammenbruch Frankreichs.
3.
Einige besonders bezeichnende Berichte des Südostdeutschen Institutes über Massnahmen der Slowenen seit
Beginn des Krieges im Herbst 1939.
Die unter 2) und 3)
angeführten Unterlagen beweisen deutlich, dass die Slowenen die deutschen
Erklärungen über die Staatsgrenzen als Freibrief benützen, um ihre Wühlarbeit
gegen das Reich und die Misshandlung der Volksdeutschen ungestört fortsetzen zu
können. Sie haben die selbstverständliche Voraussetzung für eine
Aufrechterhaltung des territorialen status quo, die Wahrung der
freundschaftlichen Neutralität gegenüber Deutschland in keiner Weise erfüllt.
Belgrad aber war entweder nicht imstande — durch den andauernden Einfluss der slowenischen
Klerikalen — nicht willens gegenüber der Deutschenhetze in Slowenien durchzugreifen.
4.
Die Schrift von H. Volkmar »Untersteier die deutsche Südostmark«(4). Ihr
sind vor allem zur
Unterrichtung über die national-politischen Verhältnisse über das Kapitel über
Windische und Slowenen und als Zusammenfassung der für die Heimkehr der
Untersteiermark sprechenden grundsätzlichen Momente das Kapitel 7 zu entnehmen.
5.
Das Buch von Werner: »Volkstum und Sprache in der Untersteiermark,(5)
als Nachschlageband für allfällig interessierende Einzelheiten; bezüglich der
Frage der Windischen siehe hier vor allem die Schlussbetrachtung.
6.
Die soeben im Institut zur vertraulichen Verwendung für Dienststellen des
Reiches fertig gestellte Schrift von Dr. Hermann Ibler »Des Reiches Südgrenze
in der Steiermark«(6). In ihr verweise ich im besonderen auf
die verschiedensten Willenskundgebungen der Bevölkerung in der Umsturzzeit für
den Verbleib der Untersteiermark bei Deutsch-Österreich; Kaiseraudienz und
Erklärung der windischen Gemeinden des Bezirkes Pettau, S 19 ff, deutsche
Kundgebungen verschiedener Gemeinden für den Verbleib bei Deutsch-Österreich
1918/19 S. 24 f, der Marburger Bluttag S. 32 f; die Behandlung der Marburger
Frage in St. Germain. (In diesem Zusammenhang ist vor allem die verschiedene
Stellung der Italiener und Franzosen wesentlich) S. 40 ff. Besonders wesentlich
sind wohl die von S. 49-51 angeführten Aussprüche verschiedener Slowenen, dass
sie lediglich Clemenceau und den Franzosen die zwangsläufige Zuerkennung der
Untersteiermark zu verdanken hätten; weiter die auf S. 64 ff aus dem Abstaller
Feld, auf S. 69 f aus dem Übermurgebiet wiedergegebene Volksabstimmung.
Desgleichen verdienen die verschiedenen Kartenskizzen und die Fotokopien im
Anhang Beachtung.
Es würde mich sehr freuen,
wenn all das Material eine entsprechende Verwendung finden könnte.
Mit
den besten Grüssen,
Heil
Hitler!
Dein
Carstanjen(7)
__________________
(1) BA Koblenz, Nachlass Dr. A. Seyss-Inquart, Bd. 23,
(9 S.)
(2) Dr. Arthur Seyss-Inquart, vom März 1938 bis Mai
1940 Reichsstatthalter und Führer der Landesregierung in Wien, dann
Reichskommissar für die besetzten Gebiete der Niederlande in
Den Haag.
(3) Der Gauleiter der NSDAP und Reichsstatthalter in
der Steiermark Dr. Sigfried Uiberreither sandte am 11. Juli 1940 ein Exemplar
dieser Denkschrift auch dem Reichsaussenminister Joachim von Ribbentrop mit
folgendem Begleitschreiben:
»Ich übermittle wunschgemäss
die geforderten Kartenunterlagen mit einem kurzen Begleittext zu jeder der
einzelnen Karten. Ich habe dankbar zur Kenntnis genommen, dass Sie, sehr
geehrter Herr Reichsminister, mich in den nächsten Tagen in Berlin empfangen
werden und werde mich nach meinem Eintreffen in Berlin bei Ihnen sofort
melden.« (PA AA Bonn, Pol. XII, Bd. 7) Ein Exemplar der Denkschrift erhielt
auch die Reichskanzlei in Berlin. Der Referent Dr. Friedrich Wilhelm
Kritzinger machte am 11. 9. 1940 folgenden Vermerk: »Die beiliegende
Aufzeichnung »Südgrenze der Steiermark« nebst Anlagen wurde mir gelegentlich
von Dr. von Dohnanyi übergeben. Das Material stammt von Reichsstatthalter
Dr. Uiberreither und ist,
wie Herr von Dohnanyi mir sagte, von diesem bei Gelegenheit auch dem Führer
übergeben worden.« (BA Koblenz, Rk, R 43 II, Bd. 1348)
Der Chef der Reichskanzlei
Reichsminister Hans-Heinrich Lammers hat von der Aufzeichnung am 13. 9. 1940
Kenntnis genommen. Wie aus Anmerkungen ersichtlich, wurde die Denkschrift am
20. 9. und 5. 10. 1940, sowie am 1. 3. 1941 Hitler erneut vorgelegt. (Ebda.)
(4) H.Volkmar ist ein Deckname für Dr. Hugo Suette.
Seine Schrift wurde im Jahre
1934 in Deutschlandsberg in
Österreich veröffentlicht.
(5) Gerhard Werner ist ein Deckname für Dr. Helmut Carstanjen,
den damaligen
Mitarbeiter des Volksbundes
für das Deutschtum im Auslande. Sein Buch erschien
im Jahre 1935 in Leipzig.
(6) Die Schrift von Dr. H. Ibler, dem damaligen Dozent
der Universität in Graz, wurde
im Sommer 1940 für den
inneren Gebrauch vervielfältigt. Siehe auch Dok. Nr. 4.
(7) Dr. Helmut Carstanjen, Leiter des Südostdeutschen
Institutes in Graz.
GEHEIM!
Die Südgrenze der
Steiermark
Ein Unrecht der Pariser
Vorortsverträge am deutschen Volk.
Blatt 1
Das Diktat von St. Germain
hat nahezu ein Drittel der Steiermark an Südslawien überantwortet. Damit wurde
jahrhundertealtes Reichsland ohne Volksbefragung und gegen den Willen seiner
deutschen und windischen Bevölkerung vom geschlossenen deutschen Lebensraum
abgetrennt.
Blatt 2
Die neue Zwangsgrenze hat
das innerösterreichische Verkehrsdreieck Bruck—Marburg—Villach zerschnitten und
damit den beiden Reichsgauen Steiermark und Kärnten die einzige Talverbindung
Graz—Marburg—Klagenfurt genommen.
Das Kärntner Lavanttal
wurde von jeglichem Bahnverkehr mit dem übrigen Gaugebiet abgeschnitten. Die
Lavanttaler müssen einen Transitzug über südslawisches Gebiet benützen um nach
Klagenfurt zu gelangen. Radkersburg, derzeit die südöstlichste Stadt des
Reiches, wurde durch die Zwangsgrenze nahezu seines ganzen Hinterlandes
beraubt.
Blatt 3
Das blühende deutsche
Kulturleben der Untersteiermark wurde durch die Unterdrückungsmassnahmen der
hier nur durch den Willen Frankreichs zur Macht gekommenen Nationalslowenen
fast völlig vernichtet. Trotzdem gelang es ihnen nicht, an seinen deutschen
Grundlagen etwas zu ändern. Der Wille der überwiegenden Mehrheit der
Bevölkerung nach Heimkehr ins Reich ist ungebrochen.
Blatt 4
Dem allseits umschlossenen
Klagenfurter Becken entspricht in Steiermark ein nach Osten offener Halbkreis.
Seine Nord- und Westgrenze bildet das innersteirische Randgebirge, seinen
Südabschluss der Weitensteinerzug.
Diesem südlich vorgelagert
ist der Sanngau. Er bildet räumlich eine eigene, in sich geschlossene
Landschaft, die sowohl mit dem nördlichen, wie mit dem südlichen Nachbargebiet
verbunden werden kann. Geschichte, Kultur und Bevölkerung binden ihn jedoch auf
das engste an die übrige Steiermark.
Die heutige Staatsgrenze
führt mitten durch den steirischen Kernraum. Sie bedeutet für Steiermark das
gleiche, wie für Kärnten die von den Slowenen beim Zusammenbruch der Monarchie
ebenfalls geplante Zerreissung des Kärntner Beckens.
Blatt 5
Die gegenwärtige Grenze ist
strategisch so ungünstig wie nur möglich. Sie wird für unsere südlichen
Anrainer stets ein Anreiz zu weiteren Aspirationen auf steirisches und
Kärntnergebiet sein. Seitens der Slowenen wurden entsprechende Forderungen
trotz der offiziellen staatlichen Freundschaft und der ungleichen
Machtverhältnisse bis in die Gegenwart vor aller Öffentlichkeit erhoben.
Wenn Marburg einmal zum
Interessengebiet einer anderen Grossmacht gehören würde, ständen dieser von
hier aus bis zur Linie Hohe Tauern—Semmering keine natürlichen Schranken bei
einem weiteren Vorstoss über Graz und Klagenfurt entgegen. Unbeschadet der
weiteren Entwicklung der Teile des übrigen Südslawiens ist eine Korrektur der heutigen steirischen Südgrenze eine
Lebensnotwendigkeit für die Reichsgaue Steiermark und Kärnten.
Ein sinnvoller räumlicher
Abschluss könnte auch in Steiermark nur in einer Fortsetzung der Brenner- und
Karawankengrenze von Tirol und Kärnten gefunden werden.
Für die Neuziehung der
Südgrenze der Steiermark bestehen drei Möglichkeiten:
a) Die alte steirische Landesgrenze an Save und
Sotla.
Diese Grenzziehung
entspräche der historischen und kulturellen Einheit der Steiermark.
b) Die Fortsetzung der
Karawanken über die Steineralpen und die Höhenzüge nördlich der Save
(Tüffererzug);
Das ist die Linie: Ojstrica
in den Steiner Alpen — alte steirische Landesgrenze—Welka
Planina—Kailberg—südlich von: Tüffer—St. Leonhard— Pucherberg—Rudenza und in
westöstlicher Richtung auf die alte steirische Landesgrenze. Diese Grenze
überliesse den südlich von ihr gelegenen Raum mit der Eisenbahnverbindung
Laibach—Agram, dem Eisenbahnknotenpunkt Steinbrück, wie den Kohlengebieten
Trifail und Hrastnigg dem slowenisch — kroatischen Bereich.
c) Die Fortsetzung der
Karawanken im Weitensteinerzug;
Das ist die Linie: frühere
Kärntner Landesgrenze — südlich des Ursulaberges und der Huda Lukna — über
Kosiak und Stenitza—Wotsch—Donati und in westöstlicher Richtung auf die alte
steirische Landesgrenze. Durch diese Grenze würde das gesamte Drauland mit den
Hauptorten Marburg und Pettau dem Reich wieder angeschlossen, während der
Sanngau nebst dem Vorort Cilli ausserhalb der neuen Grenze bliebe. Der
Weitensteinerzug stellt die nördlichste Linie dar, die als Fortsetzung der
Karawanken angesehen werden könnte.